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Holland ein.
Und fünf Jahre lang antwortete ihm meine Agentin, mein
Terminkalender sei voll. Ehrlich gesagt, war mein
Terminkalender nicht immer voll, aber ein Schriftsteller ist nicht
notwendigerweise ein guter Vortragsredner. Außerdem ist, was
ich sagen möchte, bereits in meinen Büchern enthalten daher
vermeide ich, Vorträge zu halten.
Theo fand heraus, daß ich für einen holländischen
Fernsehsender ein Programm aufnehmen würde. Als ich zur
Aufzeichnung der Sendung das Hotel verlassen wollte, wartete
er unten am Eingang auf mich. Er stellte sich mir vor und bat
mich mit folgenden Worten, ihm zu gestatten, mich zu
begleiten:
»Ich bin jemand, der ein Nein durchaus akzeptieren kann. Nur
glaube ich, daß ich bislang mein Ziel auf die falsche Weise zu
erreichen versuchte.
Man muß für seine Träume kämpfen, aber man muß auch
wissen, daß es besser ist, seine Energie für neue Wege
einzusetzen, wenn bestimmte Wege sich als untauglich
erweisen.«
Ich hätte einfach »nein« sagen können (ich habe dieses Wort
schon häufig gesagt und zu hören bekommen), aber ich
beschloß, eine diplomatische Lösung zu finden: indem ich ihm
unmöglich erfüllbare Bedingungen stellte.
Ich sagte ihm, ich würde den Vortrag unentgeltlich halten,
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allerdings dürfe das Eintrittsgeld zwei Euro nicht übersteigen,
und im Saal dürften sich höchstens zweihundert Personen
befinden.
Theo stimmte zu.
»Sie werden mehr ausgeben als einnehmen«, warnte ich ihn.
»Meinen Berechnungen nach werden allein das Flugticket und
der Preis für die Hotelübernachtung dreimal so hoch sein wie
Ihre Einnahmen, die Werbekosten und die Saalmiete nicht
eingerechnet -«
Theo unterbrach mich, dies alles sei nebensächlich. Der Grund
dafür, daß er diesen Vortrag organisiere, sei, was er in seinem
Beruf erlebe:
»Ich organisiere Veranstaltungen, weil ich weiterhin glauben
möchte, daß der Mensch auf der Suche nach einer besseren Welt
ist. Ich muß etwas dazu beitragen.«
Was denn sein Beruf sei, wollte ich wissen.
»Ich verkaufe Kirchen.«
Seine Antwort verblüffte mich.
»Ich bin vom Vatikan beauftragt, Käufer für Kirchen zu
finden, weil es in Holland bereits mehr Kirchen als Gläubige
gibt. Und da wir dabei bisher schlechte Erfahrungen gemacht
haben und mit ansehen mußten, wie heilige Orte in Nachtclubs,
Eigentumswohnungen, Boutiquen und sogar Sexshops
verwandelt wurden, gehen wir bei den Verkäufen jetzt anders
vor. Der Käufer muß sagen, was er mit der Immobilie vorhat,
und das Projekt muß von der Gemeinde genehmigt werden. Im
allgemeinen berücksichtigen wir nur Projekte, die
Kulturzentren, eine Nutzung für Wohltätigkeitsorganisationen
oder Museen beinhalten.
Sie fragen sich jetzt sicher, was das mit Ihrem Vortrag und den
anderen Vorträgen zu tun hat, die ich zu organisieren versuche.
Die Menschen begegnen einander nicht mehr. Und wenn sie
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einander nicht mehr begegnen, können sie nicht wachsen.«
Und indem er mir fest in die Auge sah, schloß er:
»: Begegnen9 ist das Stichwort. Genau das habe ich bei Ihnen
falsch gemacht: Anstatt Ihnen ständig E-Mails zu schicken, hätte
ich Ihnen gleich zeigen sollen, daß ich ein Mensch aus Fleisch
und Blut bin. Als ich einmal von einem bestimmten Politiker
keine Antwort erhielt, habe ich an seine Tür geklopft, und er hat
zu mir gesagt: : Wenn Sie etwas wollen, müssen Sie zuerst
einmal Ihre Augen zeigen.9 Seither halte ich es so und habe
damit nur gute Erfahrungen gemacht. Kein
Kommunikationsmittel der Welt, wirklich keines, kann den
Blickkontakt ersetzen.«
Selbstverständlich habe ich die Einladung angenommen.
PS: Als ich für jenen Vortrag nach Den Haag gereist bin, bat
ich darum, einige zum Verkauf stehende Kirchen sehen zu
dürfen, weil ich wußte, daß meine Frau, eine bildende
Künstlerin, seit langem den Wunsch hatte, ein Kulturzentrum zu
schaffen. Ich fragte nach dem Preis eines Gotteshauses, das
fünfhundert Gemeindemitglieder faßte: Es kostete 1 ¬ (EINEN
EURO!), wobei die Erhaltungskosten allerdings astronomische
Größenordnungen erreichen konnten.
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Dschingis-Khan und sein Falke
Bei einem Besuch in Kasachstan in Zentralasien durfte ich
kürzlich Jäger begleiten, die mit Falken jagen. Ich möchte hier
nicht das Für und Wider der Jagd diskutieren, sondern nur
sagen, daß es sich hierbei um eine ganz natürliche Art des
Jagens handelt.
Ich hatte keinen Dolmetscher, doch dieses Handicap erwies
sich am Ende als Segen. Da ich nicht mit den Jägern reden
konnte, achtete ich mehr auf das, was sie taten. Ich sah, wie
unsere kleine Schar anhielt, der Mann mit dem Falken auf dem
Arm sich etwas entfernte und dem Vogel die kleine silberne
Haube vom Kopf nahm. Warum er ausgerechnet an dieser Stelle
anhielt, weiß ich nicht, denn fragen konnte ich ihn ja nicht.
Der Falke flog auf, zog ein paar Kreise durch die Luft und
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